Corina beim Boston Marathonlauf

Boston: Boston ist die Hauptstadt und gleichzeitig größte Stadt des US-Bundesstaates Massachusetts. Die 1630 gegründete Stadt gehört zu den ältesten in den USA. Dort findet seit 1897 der Boston Marathon statt, jedes Jahr über den fast immer gleichen Kurs. Ein Punkt-zu-Punkt-Kurs, Start und Ziel sind nicht am gleichen Ort. Und er ist trotz Kriege und Covid nicht einmal ausgefallen. Viele behaupten, dass Marathon die Königsdisziplin sei, und Boston der König der Marathonläufe. Der Termin ist immer am dritten Montag im April, am Patriot`s Day (der Name geht auf den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Jahre 1775 zurück) in Massachusetts. Auf die Teilnehmer*innen wartet ein welliger Kurs, eigentlich recht anspruchsvoll. Den Heartbreak Hill muss man unbedingt vorher etwas trainieren. Die Startgebühr liegt deutlich über dem BELC89-Jahresbeitrag.

Corina hat einen wunderbaren Bericht über ihren Boston Lauf geschrieben. Nachfolgend die von ihr verfassten Zeilen, unverfälscht, so wie im Original. Änderungen wären hier ein Sakrileg gewesen.

Liebe Lauffreunde und Lauffreundinnen,

Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen, hier ist der Bericht über meinen Boston Marathon am Montag, 18.04.2022. Es wird ein Bericht der nicht nur “Yeaaa!!” und “I ran Boston!!” schreit; aber fangen wir mal von vorne an, nämlich, wie bin ich überhaupt dazu gekommen?

Wie kam ich dazu?

Startunterlagen empfangen - Let's run Boston

Startunterlagen empfangen – Let’s run Boston

Der Ursprung liegt eigentlich in Chicago, die Stadt die ich schon x-mal besucht habe, weil ich in der Gegend Jahr für Jahr zum Schüleraustausch nach Wisconsin im Herbst gewesen bin und ein- oder zweimal war das auch in der Zeit des Marathons in Chicago. Ich dachte, wie cool wäre es doch, wenn ich mal im Herbst hier laufen könnte, in einer meiner absoluten Lieblingsstädte mit dem besonderen Flair.

Und dann kam ein Jahr, in dem der Chicago Marathon exakt auf dem Herbstferienende lag und ich dachte, ach, ich probiere es und bewarb mich für die Qualilifikation mit meiner Marathon-Bestzeit von 3:44:xx aus 2018 in Frankfurt für den Chicago Marathon. Ich wurde angenommen und ich bin gelaufen und es war super toll. Das sollte es eigentlich mit Amerika gewesen sein, hätte ich nicht auf dem Heimweg auf dem Flughafen Läufer kennen gelernt, die von der 6-Star-Medal (die 6 big Marathons der Welt) und ihren verschiedenen Erfahrungen und Strategien zum „Abarbeiten“ der Marathons in NY, Chicago, Boston, Tokyo, Berlin und London berichteten. Erst danach hab ich mal in die Qualifizierungsanforderungen geschaut und dann festgestellt: Oohhh, man kann sich mit dem Chicago Marathon für Boston qualifizieren, und meine Ergebnis von 3:46:xx ist unter dem geforderten Limit für meine Altersklasse. “Och, warum also nicht?”, dachte ich und bewarb mich für April 2021. Covid-bedingt wurde aber hier nur ein sehr limitiertes Starterfeld angenommen, so dass es zu einer Absage kam. Dann kam 2021 eine E-Mail, die besagte, dass alle die aus 2019 noch Qualiläufe haben, sich nochmal für 2022 bewerben dürfen, da so wenige Qualiläufe pandemiebedingt stattgefunden hatten. Und dann kam im Oktober oder November 2021 die E-Mail: Ich durfte im April ’22 in Boston starten, und der Termin lag auch noch zeitlich so, dass ich hinkonnte (Ihr wisst, berufsbedingt kann ich nicht irgendwann Urlaub machen, sondern bin an die Schulferien gebunden).

Die Qualifikation

Genau, um diese Starterin geht es!

Genau, um diese Starterin geht es!

Die Zusage kam, ich war überrascht und dachte uff – ich bin so gar nicht in Form – ich habe den Sommer und Herbst über nicht wirklich systematisch und schon gar nicht von den Umfängen so trainiert, wie es jetzt nötig gewesen wäre. Hin und her – Ja oder Nein – alle mit denen ich gesprochen habe – Corina, Boston!! Da musst du hin!! O.k., gesagt getan, angemeldet, Startgeld bezahlt, Flug gebucht, Trainerin gebucht, Trainingsplan bekommen und losgelegt. Um es abzukürzen, ich bin ja immer noch in der Vorgeschichte – Frühjahrsmarathon bedeutete – ihr wisst wovon ich spreche – kalt, dunkel, nass, einsam (zum Glück mit Ausnahmen), trüb und … keine Blätter an den Bäumen und Büschen (Stichwort Dixi).

Der Termin rückte näher, es stellte sich keine wirkliche Hochstimmung ein, eher Respekt. Die Vorbereitungsrennen waren o.k., meine Erwartungen und Hochrechnungen ergaben, dass ein Ergebnis zwischen 3:49 und 4:00 möglich wäre. Hingeflogen, gut geschlafen, gut gegessen, Jetlag gut weggesteckt, Nummer geholt und Stimmung aufgesaugt. Der Tag war gekommen, ich fühlte mich super, das Wetter war perfekt: kühl und sonnig, kein Wind, keine Wolke am Himmel. Corina läuft Boston!!! Ich sagte zu mir „ja und dann genieß es auch“. Als ich endlich an der Startlinie war, stellte sich jedoch keine richtige Stimmung bei mir ein, die Leute um mich herum stolze Träger/.innen von Shirts mit „Boston-Qualifier“, ich war so ein bisschen mmh, jetzt steh ich hier, aber stellt sich nicht so richtig die schöne freudige Anspannung ein, die von anderen Wettkämpfen kenne. Anscheinend aber war es bei den anderen ca. 30.000 Leuten so, die mit mir am Start waren. Ich fühlte mich so ein bisschen wie ein Alien.

Das Rennen

Auf der Strecke in Boston

Auf der Strecke in Boston

Los ging es für mich um 10.50 Uhr. Ich fühlte mich gut, der Puls blieb niedrig, ich nahm wie geplant meine Gels, ich lief mein geplantes 5:30-er Tempo, versuchte auf mich zu achten und mich nicht wegziehen zu lassen von den Massen, mich nicht verlocken zu lassen, mich nicht zu verzocken, denn es gab ja noch den berüchtigten „heartbreak hill“ bei ca. Kilometer 30. Das Hochgefühl kam dann doch um die Ecke, vielleicht sogar ein runners high? Bis dann leider ganz plötzlich doch ein böser Geist um die Ecke kam, der mich Demut lehren wollte: Nach ca 1:20 Std., womit ich überhaupt nicht gerechnet habe, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt: Die Oberschenkel gingen zu bei Kilometer 14/15. „Echt jetzt – SOOOO früh?“ Und ab da war es nur noch ein mentaler Marathon. Ich habe abgearbeitet, getan was zu tun ist und was vernünftig ist, die grölenden Menschenmassen zogen an mir vorbei, die Schilder, ich habe wenige gelesen, vieles um mich rum nicht richtig wahrgenommen. Schmerzen, nur noch Schmerzen. Bergauf anstrengend, bergab besonders schmerzhaft in den Oberschenkeln, abarbeiten, abarbeiten, km 20, 21, Halbzeit, nur noch heim, wo ist der verdammte Heartbreak Hill? War das dieser Hügel oder kommt noch einer? Sie wollten und wollten kein Ende nehmen. Weiter machen, Trinken, Gel, vorsichtig hoch den Hügel, Zähne zusammenbeißen, runter, Geschwindigkeit wieder aufnehmen, Zeitziel über Board werfen! Als der Heartbreak Hill endlich geschafft war, ging es dann doch nochmal hoch und runter und bei jedem runter gingen die Beine mehr zu.

Geschafft! Hier ist der Lohn.

Geschafft! Hier ist der Lohn.

Überall Menschen die anfeuerten, was ich aber leider nicht mehr so richtig mitbekommen habe. „Looking strong“ und „you are running Boston“ hab ich wohl hundert mal gehört. Gegen Ende hab ich einfach gar nicht mehr auf die Uhr geschaut, und bin nur noch durchgelaufen, „bring das Ding jetzt heim“ hab ich mir gesagt und mir fielen Schilder aus alten Rennen ein „shut up legs“, die zum Mantra wurden. Vielleicht hätte ich probieren können, unter 4 Std. zu kommen, aber wozu? „I am running Boston!“ darum ging‘s.

Irgendwie und irgendwann habe ich dann die Ziellinie überquert – ohne eine Idee zu haben, ob bei 4:10 oder wie auch immer. Schlussendlich standen 4:00:59 auf der Uhr, und ich bin exakt zu der Uhrzeit eingelaufen, zu der 2013 das Bombenattentat verübt wurde. Gänsehaut.

Fazit

Boston ist auf jeden Fall eine Reise wert, ob man da den Marathon gelaufen haben muss, muss jede/r Läufer/in für sich entscheiden. Ein gemütliches Sight-Seeing-Läufchen ist bestimmt auch was Feines. Ich bin froh, da gewesen zu sein, fühle mich geehrt. Die Quali geschafft zu haben und das vor dem Hintergrund des Corona-Form-Tiefs in 2021 kann ich wirklich zufrieden sein. Der Muskelkater ist fast überstanden. Jetzt freue ich mich erstmal auf Pause, nichts Müssen-müssen und gemütliche Läufchen mit dem BELC!

Eure Corina